Lindenblüte

Tote Hummeln unter Linden

Warum findet man im Sommer so viele tote Hummeln? Lösung: Die Insekten sterben entkräftet, sie verhungern. Dabei blühen die Bäume und die Blüten der Linden duften zwar intensiv, bieten aber kaum Nektar und Pollen für die Hummeln. Die Hummeln fliegen zum Nektarsammeln mit fast leerem Magen aus, werden besonders von den Silberlinden angelockt, finden dort weder Blütenstaub noch Nektar und verhungern.

Bis zu 1600 tote Hummeln pro Baum

Tote Hummeln, hier eine Dunkle Erdhummel.
Tote Hummel, hier eine Dunkle Erdhummel.

Normalerweise leben Hummeln (Arbeiterinnen) etwa zwei Monate (Smeets & Duchateau 2003, vgl. auch „Steckbrief Hummel„). Später im Jahr gibt es ein Phänomen, das zum Hummeltod führt.

Wer aufmerksam seinen Blick im Sommer (jetzt sind die Hummelstaaten auch am größten) unter Linden auf den Boden richtet, wird feststellen, dass dort oftmals zahlreiche tote Hummeln liegen. Das Sterben tritt zur Blütezeit der Linden auf, die Bestände der Staaten nehmen innerhalb kurzer Zeit drastisch ab. Unter einem einzigen Baum fanden Forscher [Baal et al. (1994)] mehr als 1600 tote Hummeln während der Blütezeit.

Nektar giftig? Nein!

Die Schlussfolgerung, die Linden oder ihr Nektar seien Schuld am Tod der Tiere ist schlicht falsch. Abholzen – wie manchmal gefordert – muss man die Bäume ebenfalls nicht. Früher wurde häufig publiziert, dass der Nektar giftig sein sollte (Mannose im Nektar), doch konnte dies nach Arbeiten durch Baal et al. (1994) ausgeschlossen werden.

Die Lösung: Lindenblüten haben keinen Nektar mehr

Vielmehr handelt es sich um verschiedene Lindenarten, die nacheinander blühen und dabei nicht gleichwertig die Insekten versorgen können. Die früher blühenden Sommerlinden (Blütezeit Juni) und Winterlinden (Juni-Juli) bieten wegen ihrer ähnlichen Blütephase mehr als einen Monat lang sehr große Nektar- und Pollenmengen. Die Völker wachsen stark und erreichen zum Ende der Blütezeit der beiden Lindenarten ihren Höhepunkt.

Dann (Juli-August) blühen aber in den Städten nicht mehr vergleichbar viele Pflanzen. Nur noch die Silberlinden, die dann aufblühen, stellen eine vergleichbare Nektarquelle dar. Obwohl die Silberlinde mit 0,7mg Zucker pro Blüte und Tag sogar doppelt so viel Zucker anbietet wie die Winterlinde und vergleichbar viel wie die Sommerlinde (0,8mg), kann sie als einzig verbliebene Nahrungspflanze den Hunger der Insekten nicht mehr stillen.

Während sich andere Tiere schnell auf neue Pflanzen einstellen oder von ihren reichen Vorräten leben können (Honigbienen), legen die Hummeln keine Vorräte an und gewöhnen sich langsamer an neue Pflanzen. So wurden parallel zu Linden extra für Hummeln gesetzte Lavendelpflanzen, die zur selben Zeit blühten und ebenfalls intensiv dufteten, von den Hummeln nach Beobachtungen unserer Hummelfreunde nicht genutzt. Die Hummeln starben trotzdem (Vgl. auch diese Studie: Tote Hummeln: Duft der Lindenblüten schuld?).

Mit leerem Magen gestartet und dann verhungert

Die Tiere verlassen im Allgemeinen bereits das Nest ohne große Reserven, welche während des Flugs zur Linde dann schon fast komplett aufgebraucht sind. Wenn das Tier nun an der Linde wegen der großen Konkurrenz seinen Nektarbedarf nicht mehr stillen kann, fällt das Tier vom Baum und verhungert.

Forscher ermittelten, dass einer solchen Hummel nur 1/5 der Zuckermenge zur Verfügung steht, die eine Hummel zwei Monate vorher zur Zeit der Rhododendronblüte (sehr viel Nektar!) verwerten kann. Ein anderes Indiz für diese These sind die in dieser Zeit deutlich länger werdenden Sammelflüge, die sogar dann zwei bis drei Stunden dauern sollen (Baal et al. 1994).

In der Nähe wachsende andere Hummelpflanzen werden ignoriert, weil der Nektar der Linden wohl Stoffe wie Nikotin und Koffein enthält, die das Verhalten der Hummeln beeinflussen und sie nicht zu anderen Pflanzen fliegen lassen, als ob sie süchtig nach den Linden sind. Der Einfluss dieser Stoffe wird derzeit unter Forschern diskutiert (Koch & Stevenson, 2017).

Sterben ist nicht auf Linden beschränkt

Da in den Gärten ebenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viele Pflanzen blühen, haben die Hummeln keine Alternative. Die Forscher untersuchten auch einen blühenden Garten, der sich in der Stadt befand. Erstaunlicherweise ging es den Hummeln dort ähnlich schlecht.

Der Grund: Der Garten war der einzige in der Umgebung und lockte unglaublich viele Insekten aus der ganzen Innenstadt an. So viel Nektar konnten die Pflanzen gar nicht produzieren, um den Bedarf zu stillen. Auch dort verhungerten leider Hummeln. Dies darf aber kein Argument sein, seinen Garten nicht hummelfreundlich zu gestalten (vgl. Röseler, 2001).

Tipps: Was Sie tun können

1. Zuckerlösung

Persönlicher, kurzfristiger Einsatz ist, wenn einzelne Tiere mit Zuckerlösung gefüttert werden. Hier das Rezept: Mischung aus Fruchtzucker : Zucker : Wasser im Verhältnis 1 : 1 : 1,5. Diese Lösung ist aber leider nicht von Dauer und kaum für viele Tiere geeignet.

2. Mehr Nahrung durch TOP-Hummelpflanzen

Die Erweiterung des Nahrungsangebots durch sog. Trachtpflanzen erscheint derzeit als einziger Weg aus der Misere.
Es gibt Berichte, nach denen selbst durch Fütterung von Zuckerlösung das Tier starb. Es war schon so kraftlos, dass es den Zucker nicht mehr aufnehmen konnte. Deshalb muss das Trachtangebot besonders im Vorfeld der Lindenblüte ausgeweitet werden, so dass sich die Hummeln nicht alleine auf die Linden spezialisieren und noch so viel Nektar in den Vorratstöpfen ist, dass eine Verhaltensänderung, die zur Nutzung anderer Blüten führt, überhaupt noch möglich ist. Hier finden Sie die TOP-Hummelpflanzen für den Garten bzw. für Balkon und Kübel.

3. Rechtzeitig eine Attrappe basteln und auf andere Pflanzen setzen

Zum anderen sind Hummeln leider tierische Nachmacher.
Experimente haben gezeigt, dass sich Hummeln unter bestimmten Bedingungen kaum auf andere Nektarquellen umstellen.
Bot man einer Hummel eine bekannte und eine unbekannte Blüte an, wählte sie die bekannte und suchte dort nach Nektar (Leadbeater & Chittka 2005; Vgl. Klahre et al. 2011).
Bot man ihr nur die unbekannte Blüte an, kehrte sie unverrichteter Dinge wieder zum Nest zurück.
Interessant war nun eine Variante des Versuchs. Saß nämlich auf einer der unbekannten Blüten eine andere Hummel, die bereits Nektar sammelte, und konnte die erste Hummel dies beobachten, flog sie nun auch zu einer unbekannten Blüte und suchte dort nach Nektar. Sie ahmte also das Verhalten der anderen Hummel nach.Wenn also alle anderen Hummeln zu den Linden fliegen, um dort Nektar zu sammeln und ankommende Hummeln dies beobachten, und wenn die übrigen Pflanzen in der Umgebung unbekannt sind (aufgrund der Spezialisierung der Tiere über Wochen hinweg auf die Linden) und hier keine Hummel Nektar aufnimmt, dann bietet der Versuch die entsprechende Erklärung für den Tod der Tiere an. Die Hummeln haben keine Veranlassung, eine unbekannte Blüte anzufliegen, sie verhungern sogar eher.

Abhilfe kann also sein, eine selbst gebastelte Attrappe zu nutzen. Die muss gar nicht besonders gut aussehen, sehen Sie hier eine funktionierende Attrappe (bei Minute 0:28), die Wissenschaftler in einem anderen Zusammenhang einsetzten („Hummeln spielen Fußball„):

So wird verhindert, dass sich alle Tiere auf die Linden spezialisieren.

Nach Jacobs (1998) muss auch die Tatsache beachtet werden, dass es sich bei den toten Exemplaren um alte Tiere handelt, die von den Linden angelockt auch einen „natürlichen“ Alterstod sterben. Dies konnte bislang aber noch nicht bewiesen werden.

Literatur

  • Baal T, Denke B, Mühlen W, Surholt B, 1994. Die Ursachen des Massensterbens von Hummeln unter spätblühenden Linden. In: Natur und Landschaft, 69/9, S. 412 – 418.
  • van Bebber C, 2005. Hummelforum – Hilfe bei Forschung. https://aktion-hummelschutz.de/forum/thread.php?threadid=136&boardid=2
  • Jacobs W, 1998. Biologie und Ökologie der Insekten.
  • Klahre U, Gurba A, Hermann K, Saxenhofer M, Bossolini E, Guerin PM, Kuhlemeier C, 2011. Pollinator Choice in Petunia Depends on Two Major Genetic Loci for Floral Scent Production. Current Biologydoi:10.1016/j.cub.2011.03.059
  • Koch H, Stevenson PC, 2017. Do linden trees kill bees? Reviewing the causes of bee deaths on silver linden (Tilia tomentosa). Biol. Lett. 13: 20170484.
    https://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2017.0484
  • Leadbeater E, Chittka L, 2005. A new mode of information transfer in foraging bumblebees? Current Biology 15, R447 – R448.
  • Röseler P-F, 2001. Der Hummelgarten.
  • Smeets P, Duchateau MJ, 2003. Longevity of Bombus terrestris workers (Hymenoptera: Apidae) in relation to pollen availability, in the absence of foraging. Apidologie 34 (2003), 333 – 337.

Möchten Sie den Artikel teilen?


War der Artikel nützlich?
1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (110 Stimmen: 4,64 von of 5)
Loading...


Holen Sie sich meinen kostenlosen Newsletter

Zur Startseite | Nach oben ↑
Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Impressum
© 2023 Cornel van Bebber Diese Seite ist nicht nur urheberrechtlich geschützt, sondern auch mit einigen Kosten und Mühen erstellt worden. Sei fair und kopiere keine Teile dieser Seite. Nachdruck und Weiterverbreitung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung. Trotzdem kann man Inhalte unter bestimmten Bedingungen legal nutzen: Urheberrecht und Haftungsauschluss.