Auf YouTube erregt ein Video Aufmerksamkeit, in dem Ameisen eine tote Hummel „bestatten“. Sie schleppen jedenfalls Blütenblätter zur Hummel und lassen diese rings um die Hummel liegen:
Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=dyHNhgtjckk
Haben Ameisen Mitleid? Ist ihnen bewusst, dass die Hummel tot ist? Haben die Ameisen Bestattungsrituale entwickelt?
Unterstellen Sie den Ameisen keine Strategie!
Beim Betrachten des Videos entwickeln wir Menschen rasch eine Erwartung und finden im Video dann genau das, was wir suchen: Eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Beispielsweise gehen wir davon aus, dass die Blütenblätter keinen tieferen Sinn haben, jedenfalls weder eine Funktion für die tote Hummel, noch für die Ameisen. Dann sind die Blütenblätter also zwangsläufig Schmuck. Und schon ziehen wir im Kopf Parallelen zu menschlichen Bestattungen.
Verhaltensweisen werden in der Biologie aber anders erklärt.
Ein Exkurs in die Verhaltensbiologie: Kosten-Nutzen-Analyse von Verhalten
- Man geht dazu davon aus, dass Verhaltensweisen genetisch bestimmt sind. Vorteilhafte Verhaltensweisen werden also ebenso vererbt wie ein nicht-vorteilhaftes Verhalten.
- Diejenigen Tiere, die ein vorteilhaftes Verhalten zeigen, werden aber erfolgreicher: Sie haben z.B. mehr Nahrung und dadurch auch mehr Nachkommen. Über kurz oder lang gibt es damit immer mehr Tiere mit vorteilhaftem Verhalten, während die anderen Tiere aussterben.
- Vorteilhaft ist das Verhalten dann, wenn sein Nutzen die entstehenden Kosten übersteigt.
Konkret: Das Zerteilen des Blütenblatts (im Video bei einer Ameise oben rechts) und das Heranschleppen der Blätter kostet viel Energie. Der Nutzen muss zwangsläufig noch größer sein. Man muss sich also fragen:
Worin liegt der Nutzen für die Ameisen?
Tatsächlich nutzen viele Ameisenarten pflanzliches Material als Nahrungsquelle. Dabei verspeisen sie die Blätter nicht direkt, sondern ernähren sich von Pilzen, die auf den Blättern wachsen und diese abbauen. Das passiert direkt im Nest, so dass die Ameisen ständig Nachschub an Blättern, auch Blütenblättern, ins Nest schaffen müssen.
Und das sehen wir hier:
Die Ameisen schleppen die Blütenblätter ins Nest, dessen Eingang sich genau unter der toten Hummel befindet.
Weil der Eingang durch die tote Hummel versperrt ist, lassen die Ameisen zwangsläufig die Blätter um den Eingang herum liegen. Das ist nicht ungewöhnlich: Wegen der perfekten Arbeitsteilung in den Ameisenstaaten nehmen jüngere Tiere die Blätter in Empfang, zerkleinern sie und bringen sie ins Nest.
Fake?
Denkbar ist übrigens zusätzlich sehr gut, dass ein cleverer Ameisenkenner die Hummel absichtlich auf den Nesteingang gelegt hat und dadurch das „Beerdigungsszenario“ bewusst erzeugt hat – beweisen lässt sich das natürlich nicht.
Dass die Ameisen aber die tote Hummel bestatten… Das können wir ausschließen.
Weitere „spektakuläre“ Videos mit einfachen Erklärungen
- Die Wahrheit über ein erfolgreiches Video im Internet 1: Rettet eine Hummel eine andere vor einer Spinne, während diese hilflos im Netz zappelt?
- Die Wahrheit über ein erfolgreiches Video im Internet 2: Winkt die Hummel ihrem Retter zu, der sie vor dem Ertrinken bewahrt hat?
Natürlich hat man im ersten Moment wirklich den Eindruck einer Beerdigung, aber die Erläuterung dazu (die Wahrheit, warum die Ameisen dies tun) ist für mich realistischer und überzeugt mich!
Ist irgendwie logisch!
Was für eine fantastische Welt der Winzlinge!!!!
Danke für die Erklärung! Darauf war ich wirklich neugierig, weil ich einfach nicht draufgekommen bin, was die Ameisen da tun.
War ser interesant
Ameisen begraben ihre Beute aber auch regelmäßig um sie vor Diebstahl durch Vögel oder andere Tiere zu schützen. Insbesondere wenn die Beute zu groß ist um sie ins Nest zu bringen wird sie versteckt. Wenn dann die Blütenblätter gerade rumliegen verwenden die Ameisen diese.
Welche Erklärung die Richtige ist kann ich auch nicht sagen, dazu wäre die Ameisenart gut zu wissen.