Von unseren harmlosen und nützlichen Hummeln (können zwar stechen, sind aber sonst sehr friedlich) geht in Südamerika eine Gefahr aus: Als invasive Hummeln!
Invasive Hummeln
Das Hummelsterben ist in Südamerika noch viel dramatischer als in Europa, wenn auch ganz anders, als gedacht: Denn einerseits kommt die einzige in Chile und Argentinien vorhandene heimische Hummelart, Bombus dahlbomii („Patagonische Riesen-Hummel“), immer seltener vor oder ist lokal bereits ausgestorben ist. Andererseits verbreitet sich unsere europäische Dunkle Erdhummel als invasive Art dort explosionsartig. Dieses Ergebnis beschreibt eine aktuelle argentinische Studie (Aizen, 2018).
Bombus dahlbomii stirbt aus
Bombus dahlbomii ist den Berichten nach eine sehr beeindruckende Hummelart. Sie ist bis zu 4 cm groß und durch die vielen, braunen Haare sehr auffällig. Wegen dieses Kennzeichens hat Bombus dahlbomii auch den Spitznamen „Fliegendes Mäuschen“. Hier im Video sehen Sie das außergewöhnliche und sehr schöne Insekt:
Die Riesenhummel kommt nur im Süden von Südamerika vor, in Chile und Argentinien. Die ehemals dort weit verbreitete Art taucht seit der Jahrtausendwende immer seltener auf. Sie gehört durch invasive Hummeln nun zu den bedrohten Arten. Hier in dem Video sehen Sie Männchen von Bombus dahlbomii an den dort heimischen Fuchsien:
Bombus dahlbomii spielte bisher eine Schlüsselrolle in der Bestäubung zahlreicher Pflanzen in der Region. Die aus dem Gartencenter bekannte Inkalilie ist in Argentinien heimisch und beide, die Pflanze und die Patagonische Riesenhummel, sind perfekt aneinander angepasst:

Auf einer Testfläche in Argentinien waren 1994 noch 94 % aller Blütenbesucher Bombus dahlbomii (Morales et al., 2013), seit 2008 wurde dort kein einziges Exemplar mehr gesichtet – das ist zwei Jahre nach dem ersten Auftreten der Erdhummel in Argentinien. Im gleichen Zeitraum stieg parallel der Anteil am Blütenbesuch durch die Erdhummel und die Feldhummel an.
Invasive Hummeln: Gefahr durch die Dunkle Erdhummel
Die Ursache liegt im Import von europäischen invasiven Hummeln.
Während Argentinien bis heute den Import von ausländischen Bestäubern verbietet, lässt das Nachbarland Chile genau das zu. Seit 1997 führte Chile insgesamt 1,2 Millionen Erdhummelstaaten von Landwirten ein, um die dortigen Kulturpflanzen zu bestäuben. So wird das heimische Ökosystem regelrecht mit invasiven Hummeln überflutet.
Im ersten Jahr kamen die Erdhummeln nur im Gewächshaus zum Einsatz, 1998 führte Chile dann einen Feldversuch zur Bestäubung von Avocados durch. Im Nachhinein zählte er weltweit zu den bedeutendsten bzw. schlimmsten Ereignissen zur Freisetzung invasiver Arten:
«Es handelt sich um eines der spektakulärsten Beispiele einer durch den Menschen eingeleiteten Invasion einer fremden Art auf einem ganzen Kontinent»
Paul Schmid-Hempel
Denn seitdem breitet sich die invasive Erdhummel sehr, sehr rasch aus. Sie hat das Anden-Gebirge übersprungen und findet sich nun in Argentinien wieder – mehr als 2000 km entfernt vom ursprünglichen Startpunkt. Damit breitet sich die Erdhummel aktuell 200 km pro Jahr aus.
Für immer neuen Nachschub an invasiven Hummeln ist gesorgt: Alleine im Jahr 2015 wurden 200.000 Hummelvölker und Hummelköniginnen importiert, 115.000 Königinnen kamen dabei aus Zuchtanlagen aus Israel. Die beeindruckenden Zahlen samt Herkunftsländern kann man in dieser Tabelle leicht nachvollziehen.
Auch die Feldhummel wurde importiert
Noch viel früher, 1982 und 1983, importierten chilenische Landwirte 300 Feldhummel-Königinnen aus Neuseeland (auch dort nicht heimisch, sondern vor einem Jahrhundert aus Großbritannien eingeführt). Die Feldhummeln sollten wie in Neuseeland den Rotklee bestäuben. Prompt breiteten sich die Feldhummeln auch in Chile aus.
Mit dem Aufkommen der Erdhummel scheint in jüngerer Zeit aber ein ähnlicher Prozess wie in Europa abzulaufen: Die Feldhummel wird wieder seltener.
Bombus terrestris und Bombus dahlbomii sind Konkurrenten
Die Erdhummel ist ein großer Nahrungskonkurrent zur Patagonischen Riesenhummel. So bleibt nachweislich weniger für Honigbienen und Bombus dahlbomii übrig, was ein wichtiger Grund für die kleiner werdende Riesenhummel-Population ist.
Weitere Probleme: Blüteneinbruch und Parasitenbefall durch invasive Hummeln
Ärgerlich auch: Weil die Erdhummel an manche südamerikanischen Pflanzenarten nicht gut angepasst ist, kommt es zum Blüteneinbruch. Dabei entnimmt die Erdhummel den Nektar, der dann den richtigen Bestäubern fehlt. Hier wird aber die Blüte nicht bestäubt.
Weiterhin konnten Forscher 2013 nachweisen (Arbetman, 2013), dass durch den Import der Zuchthummeln auch Parasiten nach Südamerika kamen: Apicystis bombi, ein parasitäres Urtierchen. Die Forscher konnten beweisen, dass der Parasit vor der Ankunft der Zuchthummeln nicht vorkam. Nach der Ankunft der invasiven Hummeln tauchte er aber in allen drei Hummelarten (B. terrestris, B. ruderatus, B. dahlbomii) auf.
Während der Parasit der Erdhummel aufgrund der langjährigen Anpassung nicht schadet, war er für Bombus dahlbomii neu. Damit dürfte der Parasit wesentlich für das Auslöschen der Art verantwortlich sein (vgl. Goulson, 2010)
Gleiches gilt für den Parasiten Crithidia bombi, mit dem ebenfalls Zuchthummeln verseucht sind und der in Südamerika nicht vorkam (Schmid-Hempel, 2013). Übrigens: In einer anderen Studie konnten Forscher in 37 von 48 untersuchten gekauften Hummelvölkern Parasiten nachweisen. Zuchthummeln sind regelrecht verseucht.
Besenginster wird zur Plage

Und noch einen weiteren, schlechten Nebeneffekt der invasiven Hummeln gibt es: Der als Gartenpflanze importierte Besenginster hat sich durch die vielen Erdhummeln ebenfalls stark verbreitet. Längst hat er den Weg aus dem Garten in die Natur gefunden. Dadurch zählt der Besenginster dort nun auch als invasive Art, der die heimische Pflanzenwelt verdrängt. Wegen des offenbar günstigen Klimas wuchert er und bildet 3 – 4 Meter hohe Büsche.
Auch andere Länder betroffen
Traurig: Auch in Japan, Neuseeland und Tasmanien gibt es Berichte über invasive Hummeln.
UPDATE: Zucht-Hummeln jetzt auch in Tasmanien
13.04.2019: Tasmanien ist eine zu Australien gehörende Insel, die eine einzigartige Natur beherbergt. Aus diesem Grund achtet man dort sehr genau, dass keine fremden Arten eingeschleppt werden, die das sehr empfindliche Gleichgewicht stören könnten. In den 1990er Jahren klappte das aber nicht. Die europäische Dunkle Erdhummel, Bombus terrestris wurde wahrscheinlich zur kommerziellen Bestäubung von Tomaten illegal eingeführt und gelangte ins Freie. Heute kommen Erdhummeln in ganz Tasmanien vor. Sie gehen alle auf die ursprüngliche Erdhummelpopulation zurück.
Die Ausbreitung der fremden Erdhummel hatte ähnlich negative Folgen wie in Südamerika.
Jetzt hat man in Tasmanien aber anscheinend kapituliert. Nach mehreren Jahren Beratung erlaubt die Regierung den Einsatz von Hummeln zu Bestäubungszwecken in Gewächshäusern. Die Hummeln sollen in Tasmanien in der Umgebung gefangen und gezüchtet werden.
Lösung für Patagonien?
Es gibt leider keine Lösung mehr für das Problem der invasiven Hummeln.
Die Erdhummel wird nicht mehr aus dem Ökosystem zu entfernen sein, das Ökosystem in Patagonien wird nachhaltig verändert werden. Angrenzende Staaten wie Bolivien müssen unbedingt erste auftretende Erdhummelstaaten zerstören.
Außerdem müssen die Staaten dort gemeinsam Richtlinien erlassen, nach denen der Import der Hummeln verboten ist. Daran müssen sich alle Staaten penibel halten, weil Hummeln nicht an Staatsgrenzen Halt machen.
Literatur und Links
- Aizen MA, Smith-Ramírez C, Morales CL, et al. Coordinated species importation policies are needed to reduce serious invasions globally: The case of alien bumblebees in South America. J Appl Ecol. 2018;00:1–7. https://doi.org/10.1111/1365-2664.13121
- Arbetman, M.P., Meeus, I., Morales, C.L. et al. Biol Invasions (2013) 15: 489. https://doi.org/10.1007/s10530-012-0311-0
- Goulson, D, 2010: Impacts of non-native bumblebees in Western Europe and North America. In: Appl. Entomol. Zool. 45 (1): 7–12 (2010)
- Morales, C. L., Arbetman, M. P., Cameron, S. A. and Aizen, M. A. (2013), Rapid ecological replacement of a native bumble bee by invasive species. Frontiers in Ecology and the Environment, 11: 529–534. doi:10.1890/120321
- Schmid-Hempel R et al. The invasion of southern South America by imported bumblebees and associated parasites. Journal of Animal Ecology. Published online 21th November 2013. DOI: 10.1111/1365-2656.12185
Ich möchte in diesem Zusammenhang (Erdhummel, invasive Hummeln) auf Arbeiten von DAVE GOULSEON aufmerksam machen. Ich kenne leider seine Orginalarbeiten nicht, aber „Die seltensten Bienen der Welt“ , Carl Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-25503-6.
Danke für diesen interessanten und wichtigen Artikel! ☺