Rätselhaftes Verhalten von Hummel-Königinnen nach der Winterruhe
Eine überraschende Entdeckung machte eine internationale Forschergruppe (darunter auch das Wissenschaftskolleg aus Berlin) an Hummel-Königinnen, die aus der Winterruhe kommen:
Entgegen der Idee, dass diese sich sofort auf die Suche nach einem Nistplatz begeben, ruhen die Tiere die meisten Zeit. Nach einem sehr kurzen Flug („kurz“ im zeitlichen Sinn und auch bezogen auf die Entfernung) verstecken sich die Tiere z.B. im Laub für etwa 10 – 20 Minuten. Sie ruhen dann und machen augenscheinlich nichts. Ihren Kopf verstecken die Tiere unter beispielsweise einem Blatt. Der Rest des Körpers schaut heraus.
Nach der Pause folgt dann der nächste Flug, grundsätzlich in zufällige Richtungen, wobei kein untersuchtes Tier zum ursprünglichen Neststandort zurück kehrte.

Eigene Beobachtungen und Überlegungen
Dieses Verhalten konnte ich selber auch schon beobachten. Interessant fand ich, dass die Tiere weiterhin „pumpen“, also den Hinterleib zusammenziehen. Sie drücken dadurch Sauerstoff in die Flugmuskulatur, die sich dabei auf Betriebstemperatur aufheizt (Thermoregulation).
Weil die Tiere aber schon auf Betriebstemperatur waren (sonst hätten sie gar nicht fliegen können), ist das Verhalten sehr energieverbrauchend. Das ist sehr ungewöhnlich. Das Verhalten kostet das Tier also viel Treibstoff und muss deshalb einen wichtigen, evolutionären Sinn haben.
Warum wird der Rest des Körpers nicht auch unter die Blätter gesteckt, um den Wärmeverlust zu minimieren? Warum wird die Körpertemperatur so hoch gehalten, obwohl das Tier die nächsten 10 – 20 Minuten nichts unternimmt und Energie sparen könnte? Und das zu einem Zeitpunkt, wo Energiekrisen häufig auftreten (kühle Witterung, geringes Blütenangebot)!
Im Vergleich ein untypisches Verhalten
Das Verhalten ist untypisch. Kehren beispielsweise Zugvogel aus dem Winterquartier zurück, so beginnen sie sofort mit der Nistplatzsuche. Denn das verschafft einen sehr großen Vorteil: Die ersten Tiere haben die besten Nistplätze und für ihren Nachwuchs die meiste Nahrung. Es lohnt sich also, die Zeit nicht zu verschwenden oder zu trödeln („Der frühe Vogel fängt den Wurm“).
Hummeln sind da sehr viel gemütlicher und legen es überhaupt nicht darauf an, die ersten zu sein.
Erklärungsideen
Die Forscher können sich die Gelassenheit der Hummeln nicht vollständig erklären. Allerdings erklärt das Verhalten durchaus, wie Hummeln mehrere Kilometer vom ursprünglichen Nest einen neuen Staat gründen. Außerdem lässt sich so erklären, wie sich Hummeln verbreiten.
Als ein Ergebnis für den Hummelschutz bedeutet das, dass die Königinnen während dieser Zeit überall ein ausreichendes Nahrungsangebot benötigen.
Ich persönlich kann mir die obigen Fragen auch nicht erklären. Vielleicht muss man neurophysiologisch hier ran: Die Umstellung des Körpers (Eierstöcke wachsen, Königin muss bald Eier produzieren) durch Hormone, die lange Ruhezeit im Dunkeln: Vielleicht kommt das Nervensystem da nicht mit, was zu Koordinierungsschwierigkeiten führt. Deshalb die Pausen, um sich wieder zu sammeln, deshalb kurze Flüge in völlig zufällige Richtungen. Könnte das sein?
Literatur
Makinson JC, Woodgate JL, Reynolds A, Capaldi EA, Perry CJ, Chittka L, 2019: Harmonic radar tracking reveals random dispersal pattern of bumblebee (Bombus terrestris) queens after hibernation. In: Scientific Reportsvolume 9, Article number: 4651 (2019). https://doi.org/10.1038/s41598-019-40355-6
Ein interessantes Verhalten, Cornel!
Vielleicht ist eine gewisse Pause mit „Ruhe zum Nachdenken“ – oder das Gewöhnen an die neue Situation/den neuen Wohnort notwendig. Als „schöpferische Pause“ sozusagen – die auch bei uns Menschen viel zu sehr vernachlässigt wird. „In der Ruhe liegt die Kraft“, sagt man. Und das Gehirn verbraucht schon eine Menge Energie. – Ich teile den Artikel mal auf meiner fb-Seite; vielleicht hat jemand noch eine Idee … Jedenfalls danke fürs Zeigen! LGT
Dieses Frühjahr habe ich insgesamt weniger Hummeln beobachtet. In meinem naturnah angelegtem Garten nur eine Erdhmmel, die ein vorhandenes Nest nicht aufgesucht hat, 2 Ackerhummeln. Die Strauchkronwicke blüht, aber es sind fast nur Honigbienen unterwegs..
Birgit: ich habe Ähnliches beobachtet. Wildbienen: Fehlanzeige.
Heute morgen hat sie sich die Erdummel nach ausgiebigem Putzen in die Primelblüte „in der stabilen Seitenlage“ für eine ganze Stunde ausgeruht.
Das Hinterteil pumpte auch.
Zur Zeit kommen 2 Erdhummeln und 2 Steinhummeln (Balkon)
Pflanzen: Lungenkraut, Goldlack, Schopflavendel, Blaukissen und
Glockenblumen
Hallo Cornel, habe solch ein Verhalten auch bei einer Gartenhummel beobachtet (Foto verfügbar, bekomme ich hier aber nicht rein). Anders als hier beschrieben hat sie allerdings sehr wohl am alten Neststandort vorbeigeschaut, sofern es eine Königin aus dem Vorjahr aus meinem Garten war. Möglicherweise sind es Stoffwechselprozesse (Abbau von Schlacken oder Umbau des Frostschutzmittels) die dieses Verhalten verursachen. Zugvögel sind vielleicht auch ein schlechter Vergleich, besser wären meiner Meinung nach Reptilien oder Säugetiere die Winterschlaf halten.
VG Manfred
Ja, danke für den Hinweis.
Den Vergleich mit den Zugvögeln habe ich gewählt, weil bei ihnen die Nistplatzsuche einem vergleichbaren Wettbewerb unterliegt und ein zeitlicher Vorsprung ein großer Vorteil ergibt. Allerdings gibt es ein ähnliches Szenario tatsächlich auch bei Amphibien.