Hummeln im Schnee – kein Widerspruch!

Ist das nicht eine sensationelle Nachricht? Hummeln fliegen auch im Schnee!
Das ist insofern wirklich eine Schlagzeile wert, als bei niedrigen Temperaturen viele Lebewesen „lahm“ gelegt werden und nicht mehr aktiv sind, Hummeln bleiben aber lebendig (Hinweis: Im Zuge des Klimawandels fliegen Hummeln ohnehin seit wenigen Jahren den ganzen Winter über und gründen Nester. Gemeint sind hier Hummeln, die nach der Überwinterung aufwachen und von einem Wintereinbruch überrascht werden.).

Für diesen Artikel recherchierte ich nach einem Beweis für die Schlagzeile, was sich aber als schwierig herausstellte. Schließlich fand ich doch noch ein ganz besonderes Foto. Es beweist perfekt, dass Hummeln auch bei einer Schneedecke ausfliegen und Blüten bestäuben bzw. Nektar sammeln:

Das Foto „Bumble Bee in Snow“ wurde mir von Alma Cottage für diese Homepage
zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

In diesem Artikel will ich erklären, wie die Hummel das im Gegensatz zu anderen Insekten schafft und weshalb das sinnvoll ist.

Der Normalfall: Schnee ist eine tödliche Gefahr für Insekten

Der Schnee macht Säugetieren mit ihrer konstanten Körpertemperatur (bei uns 37°C) natürlich nichts aus, auch wenn viele Säugetiere zum Energiesparen und wegen fehlender Nahrung eher Winterschlaf halten. Ein Insekt hat aber keine konstante Körpertemperatur, man nennt sie „wechselwarm“, weil ihre Körpertemperatur von der Umgebung abhängt. Bei Temperaturen unter 0°C ist ihr Körper also auch 0°C kalt und alle Lebensprozesse erlahmen. Die Tiere bewegen sich nicht mehr, werden nun leicht zur Beute oder erfrieren sogar. Schnee ist also eine tödliche Gefahr.

Natürlich gibt es auch für Hummeln diese Gefahr, doch Hummelköniginnen besitzen entsprechende Anpassungen, die das tödliche Risiko verringern:

1) Behaarung

Mit ihrer dichten Behaarung schützen sich die Hummeln vor dem Wärmeverlust.

2) Bergmann’sche Regel

Hummelköniginnen, die so früh im Jahr fliegen, dass ein Wintereinbruch Schnee bringen kann, sind relativ groß. Auf dem Foto sieht man eine Dunkle Erdhummelkönigin, die etwa 2cm lang ist. Durch ihre Körperform greift hier die Bergmann’sche Regel. Das große Tier hat relativ zur Größe (genauer: zum Volumen des Körpers) eine kleine Oberfläche, über die die Wärme abgegeben wird. Ein kleines Insekt hätte also eine relativ große Wärmeabgabe und würde deshalb leicht erfrieren oder hätte rasch einen Energiemangel. Die große und dicke Hummel („Riesenhummel“ wie der Express 2011 schrieb) verliert also relativ wenig Wärme.

3) Glycerin – ein Frostschutzmittel

Im Körper der Hummeln befindet sich in der Hämolymphe (man spricht nicht von Blut bei Insekten) Glyzerin, was chemisch sehr ähnlich zum Glykol ist, dem Frostschutzmittel, das wir in den Kühler unserer Autos füllen. Glycerin verhindert das Zufrieren der Hämolymphe bis zu Temperaturen von -19°C (von Hagen E, Aichhorn A, 2003).
Ausführlich: Glycerin im Körper

4) Die eingebaute Heizung

Hummeln können sich selbst aufheizen. Dabei wird jede Menge Zucker in den Muskelzellen in einer Art Kurzschlussreaktion verbrannt. Es handelt sich um einen Kurzschluss, da die Energie, die im Zucker steckt, nicht von den Muskeln in Bewegung, sondern in Wärme umgesetzt wird. Das lässt sich auch beobachten, da die Hummeln Sauerstoff zur Muskulatur pumpen: Ihr Hinterleib pumpt rhythmisch.
Die produzierte Wärme reicht irgendwann zum Fliegen aus – auch bei Minusgraden.
Ausführlich: Thermoregulation

Der Sinn: Warum fliegt eine Hummel bei Schnee?

Aus Sicht der Hummel: Die Königin hat ein Nest gegründet. Sie muss – da Hummeln keine Vorräte anlegen – bei jedem Wetter in der Lage sein, für sich und die Nachkommen Nahrung zu sammeln.

Aus Sicht der Pflanze: Blüten dienen der Fortpflanzung, wozu Insekten mit Duft, Farbe, Blütenstaub und Nektar angelockt werden – für die Pflanze eine sehr aufwändige Werbung. Später im Jahr gibt es viel Konkurrenz, da nun viele Pflanzen gleichzeitig blühen, Bestäuber könnten von anderen Blüten angelockt werden, so dass die Bestäubung ausfällt. Also blühen manche Pflanzen so früh, auch wenn die Gefahr des Erfrierens besteht und sich die Pflanzen von den Hummeln abhängig machen. Wegen der fehlenden Konkurrenz lohnt es sich aber.

Und die Honigbienen?

Die würden sofort sterben, Bienen brauchen mindestens eine Lufttemperatur von 8°C. Bei einem Wintereinbruch sind sie also ein „Totalausfall“.
Ausführlich:
a) Hummeln und Bienen im Vergleich (Bestäubung)
b) Hummeln und Bienen im Vergleich (allgemein)

Literatur

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