Neonikotinoide sind eine Gruppe von Pflanzenschutzmitteln. Dieser Artikel fasst wesentliche Informationen zum Forschungsstand und zum Umgang auf EU-Ebene und in Deutschland zusammen.
Ausbringung und Wirkungsweise der Neonicotinoide
Zu den Neonicotinoiden gehören die Substanzen Clothianidin, Imidacloprid, Thiomethoxam und Sulfoxaflor. Sie werden von der Pflanze über die Wurzeln aufgenommen. Dazu wird das Mittel entweder auf die Pflanze gespritzt (z.B. durch den Landwirt oder den Gartenbesitzer) oder das Saatgut wird mit dem Mittel umhüllt. Keimt der Samen aus, kommen seine Wurzeln mit dem Pestizid direkt in Kontakt. Das Gift ist gut wasserlöslich, so dass es durch die Leitbahnen in der gesamten Pflanze verteilt wird.
Die Pflanze wird durch die Neonikotinoide vor Fraßschäden geschützt. Der Schädling, der beispielsweise an den Blättern frisst, nimmt tödlich wirkende Mengen des Pestizids zu sich. Es wirkt im Insekt als Nervengift. So simulieren die Neonicotinoide das Acetylcholin, einen natürlichen Botenstoff im Nervensystem aller Insekten, der für die Informationsübertragung zwischen zwei Nervenzellen verantwortlich ist (Palmer et al., 2013; Groß, 2011). Nimmt ein Schädling über den Fraß das Neonicotinoid auf, kommt es bei ihm zur Übermittlung sinnloser Signale zwischen den Nervenzellen und sein Nervensystem bricht zusammen. Der Tod des Insekts ist die Folge.
Neonicotinoide gehören zu extrem wirksamen Pestiziden, sie wirken ab 0,1 Nanogramm. Verglichen mit DDT ist die Wirkung bis zu 7000 mal höher (Imidacloprid; Thiamethoxam 5400x). Kombiniert man Neonicotinoide mit Fungiziden, steigt die Wirkung um den Faktor 1000x. Auch die Kombination mit anderen Insektiziden führt zum verstärkten Tod von Arbeiterinnen bei Hummeln.
Wirkung der Neonikotinoide auf Bienen und Hummeln
Bienen und Hummeln kommen entweder beim Spritzen direkt mit dem Gift in Kontakt, oder nehmen es durch den Blütenstaub und Nektar auf. Daneben nehmen Bienen das Gift auch über das Regenwasser und Guttationstropfen auf. Die Tiere transportieren die Pestizide ins Nest, so dass weitere Tiere, der Nachwuchs und die Königin kontaminiert werden.
- Nach Ansicht der Hersteller sollen Bienen und Hummeln verglichen mit den Schadinsekten mehr Gift „vertragen“, ohne dass es zu Schäden kommt.
- Wissenschaftler schätzen die Wirkung der Neonikotinoide auf das Nervensystem aber anders ein. Nach ihren Ergebnissen ist die Wirkung irreversibel, also unumkehrbar. Dies liegt daran, dass die körpereigene „Abbaupolizei“ (die sog. Acetylcholinesterase) die Neonikotinoide im Nervensystem im Unterschied zum natürlichen Botenstoff Acetylcholin nicht abbauen können. So führen auch geringe Mengen mit der Zeit durch die Anreicherung zu einer tödlichen Dosis.
- Sichtbare Folgen sind nicht der direkte Tod.
- Vielmehr finden die Tiere nicht mehr den Weg zurück zum Nest (Henry, 2012). Die Ursache dafür sind Veränderungen in der Lern- und Gedächtnisleistung, der Kommunikations- und Orientierungsfähigkeit und der Motorik. Ohne den Staat ist die einzelne Biene oder Hummel aber nicht überlebensfähig. Sie stirbt außerhalb des Nests.
- Die Folgen sind messbar, denn der Staat produziert nun wesentlich weniger Nachwuchs (Whitehorn, 2012), denn durch die nicht zurück gekehrten Tiere wird weniger Nektar und Blütenstaub eingetragen. Hummeln produzieren dadurch deutlich weniger Königinnen. Eine Studie zeigte auch (Siviter et al., 2018), dass bereits der bloße Kontakt über zwei Wochen im Frühjahr Auswirkungen auf die Zahl der Geschlechtstiere hat, obwohl sich das Verhalten der Tiere nicht änderte und sie zurück kehrten (Sulfoxaflor).
Da nur die Königinnen den Winter überleben, führen die Neonicotinoide hier sehr rasch zum Auslöschen von Populationen.
Wirkung auf den Boden, die Gewässer und andere Organismen
Wesentlich für die Aufnahme und die Verteilung des Pestizids in der Pflanze ist die gute Wasserlöslichkeit des Gifts. Das bedeutet aber immer auch, dass ein Teil des Gifts auch aus dem Boden ausgewaschen wird und dadurch auch in Flüsse gelangt. In den Niederlanden zeigte sich, dass eine hohe Gewässerbelastung mit Pestiziden auch zum höchsten Bestandsverlust an Wiesenvögeln führte, die sich von Insekten ernähren.
Ein weiterer Teil der Neonicotinoide verbleibt aber auch im Boden, wo das Gift sogar nach Jahren kaum abgebaut wird. So wurde nachgewiesen, dass Clothianidin nach bis zu 1155 Tagen, Imidacloprid nach bis zu 997 Tagen erst zur Hälfte abgebaut wurde. Clothianidin wird im Übrigen durch den Abbau nicht sofort unschädlich: Das erste Abbauprodukt ist ein anderes Neonicotinoid, das Thiomethoxam.
Haltung der EU
Mittlerweile ist der Einsatz von Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam ist in der EU im Freiland verboten. Ihr Einsatz ist im Gewächshaus erlaubt.
Das war auch auf Betreiben Deutschlands nicht immer so. Noch 2012 gab es beispielsweise eine Ausnahmegenehmigung für das Ausbringen zweier Neonikotinoide.
Für Sulfoxaflor und andere Neonikotinoide liegen noch keine ähnlichen Beschränkungen vor.
Literatur
- Groß M, 2011: Keine Ernte ohne Bestäuber. In: Nachrichten aus der Chemie, 6/2011, 629-631. Diese Publikation ist eigentlich kostenpflichtig, allerdings gibt es das Dokument hier auch als Download.
- Henry M, Beguin M, Requier F, Rollin O, Odoux J-F, Aupinel P, Aptel J, Tchamitchian S, Decourtye A, 2012. A Common Pesticide Decreases Foraging Success and Survival in Honey Bees. In: Science, 2012
- Palmer MJ, Moffat C, Saranzewa N, Harvey J, Wright GA, Connolly CN, 2013: Cholinergic pesticides cause mushroom body neuronal inactivation in honeybees. In: Nature communications 4, Article number: 1634, https://dx.doi.org/10.1038/ncomms2648
- Siviter H, Brown MJF, Leadbeater E, 2018: Sulfoxaflor exposure reduces bumblebee reproductive success. In: Natur, 2018.
- Whitehorn PR, O’Connor S, Wackers FL, Goulson D, 2012. Neonicotinoid Pesticide Reduces Bumble Bee Colony Growth and Queen Production. In: Science, 2012, [DOI:10.1126/science.1215025] PDF der Studie
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